Gendergerechte Sprache

14.07.2021

 Dr. Saskia Ludwig MdB: "Sprache steht über dem Geschlecht - Gendern ist der falsche Weg"

Es ist schon länger her, dass ich das Wort „Gästin“ zum ersten Mal hörte. Es war in einer Show des Multitalents Helge Schneider. Der Meister selbst war in absoluter Hochform, machte großartige Musik und drechselte seine genialen Wortschleifen. Bei einer seiner absurd-komischen Geschichten fiel dann der Begriff „Gästin“ mit dem Resultat, dass das Publikum in donnerndes Gelächter ausbrach.

Es ist das Lachen, das einem heute zum Teil im Hals stecken bleiben könnte, betrachtet man die Verve und Vehemenz derer, die das Gendern mit aller Macht durchsetzen und für alle verbindlich erklären wollen. Ich muss gestehen, dass ich immer wieder von dieser Verbissenheit überrascht bin, mit der Genderbefürworter zum einen ihre Positionen vertreten, zum anderen aber auch jeden Kritiker sofort in eine bestimmte politische Ecke stellen.

Deshalb ist immer Vorsicht geboten, wenn sich eine Diskussion über das Gendern anbahnt. Die sachliche Art der Auseinandersetzung hat sich vielfach bereits vor dem missionarischen Furor der Genderfreunde in den Ruheraum der Debatte zurückgezogen und lässt die dramatische Veränderung der Sprache mit Fatalismus über sich ergehen. Deshalb wäre meine erste Botschaft an alle, die das Gendern kritisch sehen, sich nicht in die Ecke drängen zu lassen oder vor der vermeintlich „herrschenden Meinung“ zu verstummen. Es wäre bei diesem Thema schon sehr viel gewonnen, wenn wir bei Debatten auch zu ganz anderen Themen das Gendern nicht zum Mittelpunkt machen.

Ich jedenfalls halte das Gendern für überflüssig, ja sogar schädlich, denn das Gendern beschädigt die Sprache einer auf Konsens ausgerichteten pluralistischen Gesellschaft. Die bisher gültige Vereinbarung in unserer Gesellschaft lautete: Sprache steht über dem biologischen Geschlecht. Dies zeigt sich bereits an den Begriffen, die Gabel, das Messer, der Löffel. Die Verwendung von grammatikalisch maskulinen Begriffen meint Frauen und Männer gleichermaßen. Es entspricht auch einer gewissen Logik, denn kaum jemand würde beim Pluralbegriff „Ärzte“ darauf kommen, dass hier ausschließlich Männer gemeint sind. Vielmehr beschreibt man damit eine Personengruppe mit abgeschlossenem Medizinstudium. Ich habe dazu kürzlich ein Interview mit dem Linguisten Peter Eisenberg in der Berliner Zeitung gelesen. Darin erwähnte er, dass das Femininum bei Personenbezeichnungen Frauen meine, aber das Maskulinum die Möglichkeit einer sexus-unabhängigen Verwendung habe. Das Maskulinum bezieht sich also nicht immer auf Männer.

Mein Eindruck ist zudem, dass das konsequente Gendern die deutsche Sprache unbenutzbar macht und teils absurde Stilblüten produziert. Haben wir gestern noch über Helge Schneiders Wort von der „Gästin“ gelacht, kommen wir morgen bei der Begrüßung eines weiblichen Stadtoberhauptes ob der genderkorrekten Anrede in Schwierigkeiten. Sollen wir sie wirklich als „Frau BürgerInnenmeisterin“ ansprechen?

Ein Blick in die Umfragen zeigt, dass die Deutschen insgesamt dem Thema kritisch gegenüberstehen. Laut einer Forsa-Umfrage im Auftrag von RTL legt nämlich ein Großteil der Deutschen keinen Wert auf das Thema "Gendern". Viele finden geschlechtergerechte Sprache – egal in welcher Form – in Texten sogar als störend. Auch in Medien wie Fernsehen und Radio habe das Gendern laut dieser Befragung für viele nichts verloren. Die Zahlen sprechen für sich: 82 Prozent der knapp 2.000 Befragten halten das Thema für „weniger wichtig“ oder sogar „gar nicht wichtig“. Von „gar nicht wichtig“ reden 54 Prozent der Befragten. Demgegenüber finden lediglich 18 Prozent wichtig, dass die genderneutrale Sprache Anwendung findet.

Das Gendern geht also an der Lebenswirklichkeit der großen Mehrheit in unserem Land vorbei. Im Gegenteil sorgt es in der Alltagspraxis für Verunsicherungen. Hier stellt sich sogleich auch die Frage der richtigen Wortwahl.  Wie wäre es mit der neutralen Variante? Will wirklich jemand Lehrender oder Lehrkraft sein? Geht die Nennung beider Geschlechter in Ordnung? Wahrscheinlich, aber die ständige Nennung beider Formen, also etwa Lehrerinnen und Lehrer, macht das Lesen von Texten und auch das Zuhören mit der Zeit immer schwerer. Skurril sind auch die Verwendung von großen Buchstaben mitten im Wort, das Einfügen von Doppelpunkten, Sternchen oder das Setzen von Unterstrichen. Wer soll sich da zurechtfinden? Und wie wirkt dies auf Leute, die die deutsche Sprache als Fremdsprache erlernen?

Breiten Raum in der Versuchsreihe der modernen Sprachform nimmt auch die Verwendung der Präsenspartizipien ein, weil man hier anscheinend geschlechtsneutral genug spricht. Aber auch hier werden Fehlentwicklungen deutlich. Ein Beispiel: Ein Studierender ist man, wenn man sich gerade in diesem Augenblick mit seinem Studienfach befasst, also in diesem Moment wirklich lernt. Student ist man auch in der Freizeit, weil der Begriff wie eine Berufsbezeichnung zu sehen ist.

Auch bei den deutschen Schriftstellern herrscht Skepsis in Sachen Gendern.

Die Schriftstellerin Elke Heidenreich stellt den Nutzen des Genderns infrage und kritisierte die Vehemenz mit der die Befürworter der vermeintlich geschlechtergerechten Sprache vorgehen. Der „Spiegel“ zitierte sie mit den Worten: „Wenn ich sage Menschen, meine ich Menschen. Wenn ich Künstler sage, meine ich alle Künstler, die Künstler sind, auch die Frauen“. Daher schadet man dem Anliegen der Gleichberechtigung eher als es nutzt.

Und auch wenn sich die Sprache ständig verändere, dürfe sie nicht politisiert oder verunstaltet werden. Damit befindet sich Elke Heidenreich in bester Gesellschaft mit anderen Autoren, die das Gendern ebenfalls ablehnen.

Elke Heidenreich spricht zudem einen wichtigen Punkt an. Diese Sprachveränderung wird derzeit mit Hoheitsgewalt durchgesetzt und entfremdet sich dadurch immer mehr von der Alltagssprache des überwiegenden Teils unserer Gesellschaft. Gendersprache ist eine Kunstsprache. Kunstsprachen haben sich noch nie durchgesetzt. Sprachen entwickeln sich über den allgemeinen Sprachgebrauch und nicht von oben herab per Verodnung oder Gesetz. Genau dies wird aber bei der Gendersprache versucht. Bisher ist in keinem Parlament ernsthaft über die Vor- und Nachteile des Genderns diskutiert, geschweige denn abgestimmt worden. Darüber hinaus bin ich skeptisch, ob gegenderte Sprache wirklich den erhofften Effekt in der Praxis hat.

Das Projekt läuft Gefahr quasi „von Amts wegen“ in die Gesellschaft getragen zu werden. Und genau dies muss verhindert werden. Deshalb fordere ich ein Genderverbot in der Amtssprache von Behörden, Ämtern, Universitäten und anderen öffentlichen Institutionen. Frankreich macht es vor. Und außerdem: hören wir auf die Mehrheit, denn die große Mehrheit der Menschen in unserem Land sieht das Gendern kritisch und lehnt es ab. Auch dies sollte Orientierung sein.

Die deutsche Sprache ist nicht nur schön und die Sprache großer Dichter und Denker, sie ist auch - wie eingangs bemerkt, die Sprache einer auf Konsens ausgerichteten pluralistischen Gesellschaft. Es wäre mehr als bedauerlich, wenn uns dieses grundlegende Element durch willkürliche Veränderung abhanden käme.

Dr. Saskia Ludwig ist Mitglied des Deutschen Bundestages.