Wider die Banalisierung des Schwangerschaftskonflikts

09.03.2022

Die Wellen schlagen hoch. Die neue Bundesregierung will das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche gemäß § 219a StGB abschaffen.

Noch vor Verabschiedung eines Gesetzentwurfs tanzen bereits FDP-Bundestagsabgeordnete triumphierend mit Ghettoblaster zum Song “Little Short Dick Man“ und feiern den Weg dorthin, um endlich den § 219a aus dem StGB kicken zu können. Das Video ging schnell in den Sozialen Medien viral, bevor es aufgrund enormen Protests wieder aus dem Netz gelöscht wurde. In der Bundestagsdebatte zum Internationalen Frauentag verknüpfte dann eine SPD-Bundestagsabgeordnete den § 219a StGB sogar mit den tragischen Todesfällen einer Mutter und ihrer beiden Zwillinge in Polen. Zwei Sachverhalte, die nun wirklich nichts miteinander zu tun haben, aber gezielt miteinander vermengt wurden, um das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche zur Bevormundung und Gängelung von Frauen in Deutschland hochzustilisieren. Clickbaiting und Stimmungsmache anstelle seriöser Auseinandersetzung?

Die Diskussion um den § 219a StGB steckt jedenfalls voller Emotionen. Jede Frau, die mit einer ungewollten Schwangerschaft konfrontiert ist, ringt mit existenziellen Sorgen und Ängsten, Unsicherheit und Zweifeln. Und eines steht fest: Der Schutz des Ungeborenen ist nur mit der schwangeren Frau und nicht gegen sie möglich. Sie braucht deshalb vor allem Hilfe und Unterstützung, individuelle Beratung und verlässliche und gut zugängliche Informationen über einen möglichen Schwangerschaftsabbruch wie über die Möglichkeiten und Wege auch mit ihrem Kind zu leben. Die Zugänge dazu müssen gewährleistet sein, auch über das Internet.

Mit der Reform des § 219a StGB im Jahre 2019 wurde deshalb die qualitätsgesicherte Information über medizinische Fragen im Zusammenhang mit einem Schwangerschaftsabbruch für Frauen verbessert. Ärzte und Kliniken können Frauen auch über ihre Website informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen und im persönlichen Gespräch weitere individuelle medizinische Fragen beantworten. Die gesetzlich vorgesehenen Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen beraten zu psychosozialen Fragen und geben darüberhinausgehende Informationen. Hier können Frauen über persönliche, soziale und ethische Fragen sprechen – und zwar im geschützten Raum. Diese werden ergänzt durch medizinische Informationen der Ärztekammern und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung im Internet. Wenn eine Frau also auf der Suche nach ärztlicher Betreuung ist, stehen ihr die notwendigen Informationen zur Verfügung und die Wege dahin offen. Das Informationsrecht der Schwangeren und ihr Recht auf freie Arztwahl werden durch den § 219a StGB jedenfalls nicht beeinträchtigt.

Information ist allerdings nicht dasselbe wie Werbung. Information und Aufklärung haben den Zweck, Sachverhalte objektiv und umfassend darzustellen. Werbung hingegen wird von Interessen geleitet und zielt auf Meinungsbeeinflussung und Verhaltenssteuerung. Der Staat hat den verfassungsrechtlichen Auftrag, Leben zu schützen. Deshalb muss er vor Beeinflussungen schützen, die der Entscheidung für das Kind entgegenwirken.
Auch behauptete Rechtsunsicherheiten für Ärztinnen und Ärzte sind seit der Reform ausgeräumt. Im Jahr 2020 gab es nur eine rechtskräftige Verurteilung wegen § 219a StGB. Die Befürworter einer Streichung des Werbeverbots verweisen auf die Regulierungen im ärztlichen Standesrecht. Das verbietet allerdings nur anpreisende Werbung. Möglich bliebe aber Werbung, wie sie Praxen und Kliniken für ärztliche Leistungen tätigen dürfen, etwa in Zeitungen oder im Internet in Suchmaschinen oder Social Media. Wollen wir wirklich Werbung für Schwangerschaftsabbrüche zulassen? Welche Haltung steht hinter der Formulierung für einen Schwangerschaftsabbruch als „Entfernung von Schwangerschaftsgewebe“? Entspricht das unserem Verständnis von Menschenwürde, wie sie im Grundgesetz festgeschrieben und im christlichen Menschenbild gründet?! Ich meine, nein. Ein Schwangerschaftsabbruch ist eben gerade kein medizinischer Eingriff wie jeder andere.
Ein Abbruch nach § 218 Strafgesetzbuch ist im Grundsatz verboten, bleibt aber in bestimmten Fällen straffrei. Zu Recht, denn es ist eine Ausnahmesituation – nicht nur rechtlich, sondern vor allen Dingen für die Frauen, die sich in einer schwierigen Konfliktsituation befinden. Wer es ernst meint mit den betroffenen Frauen und dem Schutz des ungeborenen Lebens, darf diese Konfliktsituation nicht klein reden. Das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche verhindert eine Kommerzialisierung und stärkt das Bewusstsein für das Lebensrecht des Ungeborenen. Die gesetzliche Regelung verhindert, dass ein Schwangerschaftsabbruch in der Öffentlichkeit banalisiert wird.

Die Menschenwürde - von Schwangerer und Ungeborenem - wird durch Art. 1 Grundgesetz geschützt. Dazu gehört die unabdingbare Abwägung zwischen dem Selbstbestimmungsrecht der Frau und dem Schutz des ungeborenen Lebens. § 219a StGB ist Teil des Schutzkonzeptes, zu dem das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber in § 218 StGB verpflichtet hat und mit dem eine jahrzehntelange Diskussion befriedet wurde. Es ist gerade nicht frauenfeindlich, sondern unterstützt Frauen darin, eine informierte, überlegte selbstbestimmte Entscheidung zu treffen. 

Will die Ampelkoalition diesen Frieden aufkündigen? Die Bundesregierung hat jetzt im Kabinett den Gesetzentwurf zur Abschaffung des § 219a StGB verabschiedet und rollt die schwierigen Debatten zum Thema Schwangerschaftsabbruch neu auf. Eine Kommission soll Regulierungen für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches prüfen. Die Aufhebung des Werbeverbots soll also nur der erste Schritt sein. Ein riskanter Weg, der droht, den Schutz des Lebens des Ungeborenen immer mehr aus dem Blick zu verlieren. Ein Weg, den ich nicht einschlagen will.