Gendergerechte Sprache

14.07.2021

Bettina M. Wiesmann MdB: "Ich empfehle uns, die Debatte zur Gender-Sprache gelassen und differenziert zu führen..."

Als Mitglied im Familienausschuss bin ich unter anderem für Themen der LSBTI-Gleichstellung zuständig und befasse mich daher sehr regelmäßig mit dem Themenkomplex der geschlechtergerechten Sprache. Es erreichen mich aktuell auch vermehrt Schreiben, in denen ganz unterschiedliche Gruppen und Einzelpersonen ihre Standpunkte zur Gender-Sprachdebatte mitteilen. Die Zuschriften betreffen nicht nur Forderungen nach einer beherzteren Umsetzung einer geschlechtergerechten Sprache, sondern genauso Positionen, die eine starke Ablehnung formulieren und gar von einer Bedrohung oder sog. Sprachdiktatur sprechen.

Da unsere Sprache neben einer kollektiven Komponente vor allem auch ein starker persönlicher Ausdruck ist, ist es durchaus nachvollziehbar, dass diese Debatte teilweise sehr emotional geführt wird. Die eigene Sprache spiegelt immer auch einen Teil unserer Heimat und Zugehörigkeit, auch unserer Wertvorstellungen und Überzeugungen wider. Dass Forderungen der einen nach Veränderungen unserer Sprache durch andere als gewaltsamer Eingriff empfunden und abgelehnt werden, ist für mich absolut verständlich.

Jedoch appelliere in dieser Debatte grundsätzlich für mehr Toleranz und Gelassenheit. Sprache sollte sich immer am Ziel und jeweiligen Kontext der Kommunikation ausrichten. Unsere Sprechsituationen, aber auch das geschriebene Wort bilden in jeder Situation eine bestimmte Wirklichkeit ab, in der unterschiedliche Erwartungen, Erfordernisse, mitunter auch Konventionen existieren. Sich dies im Umgang mit seinem Gegenüber bewusst zu machen, halte ich in einer pluralistischen Gesellschaft für unbedingt geboten - und ganz besonders auch im Umgang mit der LSBTI-Community. Halte ich beispielsweise eine Rede vor Schüler:innen oder bin im Austausch mit Intersexuellen, ist es für mich selbstverständlich, bei der Anrede aber auch in der Diskussion entsprechende Formulierungen zu nutzen. Eine sensible, dem Kontext angepasste Wortwahl steht für mich in diesem Zusammenhang im Mittelpunkt - bei öffentlichen wie privaten Begegnungen.

In der aktuellen Diskussion warne ich deshalb vor übertriebener Aufgeregtheit und halte die sog. Gendersprache auch nicht für ein Wahlkampfthema. Sprache allein entscheidet natürlich nicht über Diskriminierung oder ihre Vermeidung. Wichtiger sind gesetzliche Maßnahmen wie die Einführung des dritten Geschlechts – ein notwendiger Schritt für die Belange intersexueller Menschen, den wir im Bundestag 2018 umsetzen konnten. Aber Sprache ist auch nicht indifferent, denn sie transportiert Sichtweisen und Haltungen. Daher stimme ich der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung zu, wenn sie vor verkrampften Vorgaben in jedwede Richtung warnt. Und natürlich sollten wir uns hüten, die Sprache der Literatur gar rückwirkend zu verbiegen.

In diesem Sinne empfehle ich uns, die Debatte zur Gender-Sprache gelassen und differenziert zu führen, von Verunglimpfungen abzusehen – und weiter möglichst viel für guten Spracherwerb und Sprachfähigkeit aller Menschen zu tun.

Bettina M. Wiesmann MdB ist Mitglied im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie der Kinderkommission – Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder.