Die sogenannte Kindergrundsicherung ist ein Irrweg.

05.10.2023

Bettina M. Wiesmann war 2009-2017 Mitglied des Hessischen Landtags und 2017-2021 MdB. Sie ist im Jugendhilfeausschuss der Stadt Frankfurt.

 

Die sogenannte Kindergrundsicherung ist ein Irrweg. Sie führt zu hohen Kosten, mehr Abhängigkeit und noch mehr Bürokratie.

Zum nun im Bundeskabinett verabschiedeten Vorhaben der Kindergrundsicherung nimmt die langjährige Abgeordnete und ehem. stellvertretende Landesvorsitzende der Frauen Union Hessen, Bettina M. Wiesmann, wie folgt Stellung:
„Die Kindergrundsicherung ist der familienpolitische Offenbarungseid der Ampelkoalition. Sie gefährdet die Freiheit der Familien, schwächt den familiären Zusammenhalt und führt zu mehr Bürokratie als je zuvor.
Fast alle betroffenen Kinder leben in einer Familie und sind arm, weil ihre Eltern wenig oder nichts verdienen. Helfen würde, die Eltern in (bessere) Arbeit zu bringen, den Wiedereinstieg zu fördern, die berufliche Reha auszubauen und für die Kinder Förderung in guten Betreuungs- und Bildungseinrichtungen bereitzuhalten. Das tut die Ampel-Koalition aber nicht. Sie setzt stattdessen schlicht auf Geld. Dies soll aber nicht den Eltern, sondern direkt den Kindern zugutekommen, indem sie finanztechnisch aus der Familie herausgelöst und einem anderen Rechtskreis zugeordnet werden. Die so wichtigen Arbeitsanreize für die Eltern werden geschleift. Die grüne Ministerin geht folgerichtig von immer mehr Anspruchsberechtigten aus: 5,6 Millionen, also 40 % aller minderjährigen Kinder in Deutschland sollen Transferempfänger werden – eine Monsterzahl im Vergleich zu den Statistiken des Statistischen Bundesamts, die 14,8% der Kinder in Deutschland als armutsgefährdet ansieht.

Auch die versprochene Vereinfachung wird nicht kommen, im Gegenteil:

– Vom versprochenen Systemwechsel in der Berechnung keine Spur: Es bleibt bei den Komponenten Bürgergeld-Regelsatz, Wohnkostenpauschale des Existenzminimumberichts, Pauschalbeträge aus dem Bildungs- und Teilhabepaket. Außer einer Steigerung der bestehenden Regelsätze gibt es keine neuen Leistungen. Schon bisher bekommen Eltern im Bürgergeld und mit kleinem Einkommen für ihre Kinder Leistungen, die den Kindern vielfältige Möglichkeiten der Förderung von Bildung und Teilhabe bieten und die man hätte ausbauen können.

– Die Kindergrundsicherung wird zum staatlichen Taschengeld fürs Kind, statt die Eltern von den Kosten für Unterhalt und Erziehung zu entlasten. Damit wird der Zweck der Förderung umgekehrt. Volljährige Kinder können den künftigen Garantiebetrag „einvernehmlich“ auf ihr eigenes Bankkonto überweisen lassen. Eltern bleibt nur, dies abzusegnen und ihr Kind zu bitten, ihnen etwas abzugeben – wohl kaum ein Beitrag zum familiären Zusammenhalt.

– Die Kindergrundsicherung soll „automatisch“ gewährt werden. Dafür müssen die Finanzen aller Familien künftig im Hintergrund durchforstet werden. Das bringt immensen bürokratischen Aufwand und einen kompletten Umbau der Schnittstellen. Zudem muss von den Eltern vorher eine Erlaubnis eingeholt werden. Statt bei einer Behörde werden künftig Anträge auf Leistungen bei unterschiedlichen Behörden notwendig. Auch wird künftig statt der Verwaltung vor Ort zusätzlich eine neue Behörde ohne lokale Verortung zuständig. Für das alles wurde zudem eine zu kurze Vorbereitungszeit gewählt. Jobcenter und Bundesagentur für Arbeit haben Zweifel an der Sinnhaftigkeit dieses Umbaus angemeldet. Sie wurden aber nicht gehört.

Fazit: Die sogenannte Kindergrundsicherung stellt die Familie auf den Kopf, denn Eltern müssen ihre Kinder um Zuschüsse ersuchen, während Erwerbsarbeit kaum noch lohnt. Sie stellt das Sozialsystem auf den Kopf, indem Notleidende nicht mehr selbst entscheiden, ob und wo sie sich Hilfe suchen, sondern der allwissende Staat ihnen automatisch Leistungen zuweist. Eine Kombination, die leicht zu dauerhafter Abhängigkeit vom Sozialsystem führt und die ständige Durchleuchtung der Familien zur Voraussetzung hat. Statt die Armut von Kindern zu beenden, wird dieses Reformmonster nur mehr Schnittstellen, Unübersichtlichkeit und Bürokratie erreichen; die avisierten 2.000 zusätzlichen Stellen bei der neuen Bundesbehörde mit neu zu errichtenden Standorten in ganz Deutschland sprechen Bände. Ein teurer Irrweg, den die Kinder per Schuldendienst am Ende auch noch selbst werden zahlen müssen.“